Die Renten, ein europäischer (Klassen-)Kampf

Analyse
Author
Jonathan Lefèvre
solidaire

Überall in der Europäischen Union attackieren die nationalen Regierungen die solidarischsten Rentensysteme. Ein koordinierter Angriff der europäischen Institutionen. Eine kleine Tournee durch Spanien, Frankreich und Deutschland.

Die Renten?  Für den PTB-Vertreter Marc Botenga handelt es sich um einen europäischen Kampf. Diese "Reformen", die die nationalen Regierungen in ganz Europa versuchen durchzusetzen, werden hier, innerhalb der europäischen Institutionen, koordiniert. Die in den europäischen Verträgen festgeschriebenen Austeritätsmaßnahmen betreffen die Renten. Es ist kein Zufall, dass die Maßnahmen oft ähnlich sind. In Deutschland haben wir bereits eine Form der Punkte-Rente. Macron will sie ebenso in Frankreich einführen. In Belgien wollte die Regierung sie auch einführen, aber die Beschäftigten haben sich dagegen gesträubt. In Spanien ist das System ein wenig anders, aber die Höhe der Rente wird auch von einem externen Faktor abhängig gemacht, wie z.B. der Entwicklung der Lebenserwartung: Je länger man lebt, desto weniger Rente bekommt man...".

Werfen wir einen Blick auf diese drei Länder.

Frankreich

Die neoliberale Regierung legte im vergangenen Dezember die "Reform" vor, die die Arbeitnehmer befürchtet hatten. Eine "Reform", die die Höhe der Renten mit Hilfe eines Punktesystems senkt und das Rentenalter um zwei Jahre erhöht.

Die Regierung gibt Steuergeschenke an die Reichsten, so dass die Sozialversicherung defizitär ist (auch wenn das relativ ist...), so dass die Regierung die Ausgaben für die Sozialversicherung kürzt, was Haushaltsmittel freisetzt, um wiederum neue Geschenke an die Reichsten zu machen! Das ist die Logik (?) dieser Rentenreform.

Eine Reform, die von der Bevölkerung wenig geschätzt wird: Eine große Mehrheit unterstützt die Anfang Dezember begonnene Streikbewegung. Mit einem Stichwort: die vollständige Rücknahme der Reform. Es hat ein Kampf, zwischen auf der einen Seite, der Regierung und den Arbeitgebern und auf der anderen Seite den Gewerkschaften, den Gelbwesten, den linken Parteien und den Bürgerverbänden eingesetzt.

Spanien

Ein Rentner verdient dort durchschnittlich 970 Euro. Gewerkschaften und Seniorenverbände fordern eine Mindestrente von 1.080 Euro.

Das derzeitige System ist unserem ähnlich: ein Umlagesystem. Aber die jüngsten Regierungen haben versucht, ein System ähnlich dem Punktesystem durchzusetzen. Angesichts der Straßenmobilisierung, die vor zwei Jahren (!) für eine würdige und gerechte Rente begann, konnte das neue System nicht verabschiedet werden.

Das gesetzliche Rentenalter ist dort auf 65 Jahre festgelegt. Aber wie in vielen anderen Ländern steht die Erhöhung dieses Alters  auf dem Plan der traditionellen (und rechtsextremen) Parteien...

lutte pensions espagne
In Spanien, ein Rentner verdient durchschnittlich 970 Euro. Gewerkschaften und Seniorenverbände fordern eine Mindestrente von 1.080 Euro.

Deutschland

Die Liberalen loben oft das "deutsche Modell", verschweigen aber seine katastrophalen Folgen für die Betroffenen. Zum Beispiel die Tatsache, dass fast 17% der Rentner und Rentnerinnen unterhalb der Armutsgrenze leben. Und wenn dies so weitergeht, werden es etwa in den nächsten zwanzig Jahren mehr als 21% sein, die sich in dieser Situation befinden. Der Plan einer universellen Rente gewinnt in der christlich-sozialdemokratischen Koalition an Boden. Das Problem ist jedoch, worauf die linke Partei Die Linke hinweist, dass 1,4 Millionen Rentner dieses Minimum gar nicht in Anspruch nehmen könnten. Es ist zu beachten, dass die deutschen Rentner bereits jetzt einem Punktesystem unterliegen, welches die Armut hervorgerufen hat, in der sich viele Menschen befinden ...

Abgesehen von der Frage der Höhe der Renten, die eindeutig unzureichend ist, verärgert die Arbeitskräfte auch die Altersgrenze. Die Deutsche Bank hat eine Studie veröffentlicht, die sich für ein höheres Renteneintrittsalter ausspricht. Von aktuell 67 Jahren sollten die Beschäftigten nun bis 69 und einige sogar bis 70 oder 72 arbeiten. Die Antwort der IG Metall, der größten Gewerkschaft des Landes: 90 Prozent der Lohnabhängigen denken laut einer Studie der Gewerkschaft, dass sie es nicht schaffen, bis  67 Jahren arbeiten zu können. Die IG Metall hat ein alternatives Konzept für eine angemessene Rente vorgelegt. In der Zwischenzeit bleiben die Beschäftigtenorganisationen wachsam...

Europäische Philosophie

Marc Botenga war bei Demonstrationen in Spanien und Frankreich anwesend: "Es besteht der Wille, die Renten auf europäischer Ebene zu privatisieren. Es ist das amerikanische Modell, das Europa verallgemeinern will. Außer, dass wir sehen, dass Spekulanten, die mit Pensionsfonds an der Börse spielen, die Rentner ohne einen einzigen Dollar zurücklassen... Wie CalPERS, ein großer Pensionsfonds, der die Renten von 1,9 Millionen kalifornischen Beamten verwaltet: er verlor in einem Jahr 30 % an der Börse. Wenn heute alle Rentner ihre Rente beantragen würden, würden nur 70% von ihnen ihr Geld wiedersehen. Und der Rest? Der Rest bekommt nichts. In Frankreich werden mehr als 200 Milliarden dem privaten Markt überlassen, damit an der Börse mit diesem Geld für die Renten spekuliert werden kann. Ist es das, was wir wollen? Dass unsere Rente eine Tombola ist, ein Finanzprodukt wie jedes andere, mit dem einige wenige Spekulanten russisches Roulette spielen werden? »

Rente nach Punkten

Ein "Tombola"-Rentensystem, bei dem die Renten der Lohnabhängigen nicht mehr in Euro, sondern in Punkten kalkuliert werden. Der Wert des Punktes hängt von externen Faktoren ab. Diesen Wert, der in Euro umgerechnet wird, erfährt der zukünftige Rentner erst kurz vor seiner Rente. Durch diesen Mechanismus will die Regierung unsere Berufstätigkeit automatisch verlängern oder die Höhe unserer Rente auf der Grundlage der Lebenserwartung oder der Haushaltslage senken.

Umgehungsrente

Solidaritätssystem, bei dem aktive Arbeitnehmer für pensionierte Arbeitnehmer zahlen und gleichzeitig Ansprüche auf ihr.e künftige Rente erwerben