Der Aufbruch der PTB: „Eine erstaunliche Geschichte“ - Die Geschichte der Erneuerungsbewegung seit 2004

Analyse
Author
Gille Feyaerts
PTB.be

Hinter dem Aufstieg der PTB-PVDA von einer kleinen Partei zu einem wichtigen politischen Akteur verbirgt sich eine außergewöhnliche Geschichte. Die Ankündigung, dass Peter Mertens das Amt des Präsidenten weitergeben wird, ist eine Gelegenheit, auf die Erneuerungsbewegung zurückzublicken, die im Jahr 2004 begann. Wir haben diese Geschichte anhand von Zitaten aus der Mainstream-Presse nachverfolgt.

 

Mitglieder

Abteilungen

Stimmen

Abgeordnete*

Lokalpolitiker**

2003

800

80

20.825

/

5

2008

2.800

120

56.157

/

15

2015

8.500

280

251.276

8

52

2021

24.000

400

584.621

43

169

* Abgeordnete im Parlement en 2019: europäischen Parlament: 1; Abgeordnetenkammer: 12; Senat: 5 ; flämisches Parlament: 4; wallonisches Parlament: 10; Brüsseler Parlament: 11; Parlament der Französischen Gemeinschaft: 13

** Lokale Mandatsträger, 2018: 43 gewählte Vertreter in 21 Gemeinde- und Bezirksräten in Flandern, 36 gewählte Vertreter in 7 Gemeinderäten in Brüssel und 78 gewählte Vertreter in 16 Gemeinderäten in Wallonien. Außerdem 12 Provinzräte.

 


„It’s an amazing story.“ Dies sind die Worte des indischen Journalisten und Marxisten Vijay Prashad über die Fortschritte der PTB-PVDA. Und es ist wahr; es ist eine erstaunliche Geschichte. Von einer kleinen Partei hat sich die PTB-PVDA in den letzten zwanzig Jahren zu einem wichtigen politischen Akteur auf der belgischen Bühne entwickelt.

Es ist eine Geschichte wie keine andere, weil sie wirklich gegen den Strom läuft. Im übrigen Europa hatten marxistische Parteien einen schweren Stand. Laut der amerikanischen Zeitschrift Jacobin ist die PTB-PVDA heute „eine der dynamischsten Kräfte der europäischen Linken“. „Die Wahlen vom 26. Mai 2019 haben dieses Bild nur bestätigt,“ fügt die sozialistische Zeitschrift hinzu.

Wer glaubt, dass die Implosion der traditionellen Parteien automatisch gut für die authentische Linke ist, sollte einen Blick auf das übrige Europa werfen. Die Linke ist angeschlagen und befindet sich oft auf dem Rückzug. Außer in Belgien, wo die ‚Linke ohne Komplexe‘ (ein vom ehemaligen Journalisten Jos Bouveroux geprägter Begriff) seit zwei Jahrzehnten auf dem Vormarsch ist.

Und doch hätte die Geschichte auch ganz anders verlaufen können. Im Jahr 2003 war die kleine, engagierte Partei k.o.. Peter Mertens erzählt im Humo Magazin die Geschichte hinter den Kulissen der Erneuerung der PTB-PVDA: „Ehemals war Antwerpen von einem ‚roten Gürtel‘ umgeben, in dem die Sozialisten bis zu 40 % der Stimmen erhielten. In den 1990er Jahren gingen die meisten dieser Stimmen an den [fascistischen] Vlaams Blok, nicht an uns. Und das war zum Teil auch unsere Schuld, denn wir waren zu dogmatisch, zu sektiererisch, zu belehrend, zu hermetisch, um genau zu sein, was mich sehr gestört hat. Alles änderte sich, als wir bei den Wahlen zum Bundesparlament 2003 mit Resist [Wahlbündnis zwischen der PTB und der Arabischen Europäischen Liga] völlig daneben lagen. Wir sind mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen und merkten, dass wir so nicht weitermachen können. Wir mussten uns entweder erneuern oder verschwinden.“

‚Erneuern oder verschwinden‘ waren die Alternativen im Jahr 2003

Erneuerung oder Verschwinden, das waren die beiden Wege, die der PTB-PVDA im Jahr 2003 offen standen. In diesem Jahr erhielt die Partei bei den Wahlen lediglich 20.825 Stimmen. Kaum jemand hat einen Penny auf ihre Zukunft gesetzt. Die Partei war mit den Gewerkschaften, mit fortschrittlichen Organisationen, eigentlich mit fast allen zerstritten. Die PTB-PVDA hatte einige Dutzend Sektionen und sah sich mit einer alternden Mitgliederpyramide konfrontiert. Die Marxisten hatten sich immer mehr von den Alltagssorgen der Menschen entfernt.

In der Partei wurden immer mehr Stimmen laut, die sagten, dass wir so nicht weitermachen können und dass wir mit dieser Belehrungsmentalität, dieser Realitätsferne und diesem Dogmatismus Schluss machen müssen. Auf den Mitgliederversammlungen stimmten die Mitglieder mit überwältigender Mehrheit für eine Erneuerung. Dies ist der Wendepunkt und wird die Partei retten. Ein Teil der Hardliner wurde ausgeschlossen. Peter Mertens, Baudouin Deckers und Lydie Neufcourt wurden in die neue Leitung gewählt. Dieses Trio soll die Erneuerungsbewegung in Gang setzen, und mit 800 motivierten Parteimitgliedern packt sie es an.

„Es brauchte die jüngere Generation, die sagte, dass es so nicht weitergeht, damit der Aufschwung beginnen konnte, und es hat funktioniert,“ schrieb der Journalist Walter Pauli später in Knack. „Peter Mertens wird sowohl von seinen Freunden als auch seinen Gegnern gleichermaßen als ‚Architekt’ dieses Erfolges anerkannt.“ Die Erneuerung ist jedoch nicht ausschließlich das Werk der jungen Leute, sondern der verschiedenen Generationen, die in der neuen Mannschaft vereint sind. Und genau das ist die Stärke der Erneuerung der PTB-PVDA: die Tatsache, dass sie von den verschiedenen Generationen der Partei so breit getragen wird.

Das Motto dieses Teams lautet ‚Zurück zu den Wurzeln‘. Sie will die konkreten Probleme der ArbeiterInnenklasse angehen. Nicht mit schönen Worten, sondern mit Taten. Ein erster wichtiger Schritt wurde 2004 unternommen, als Dr. Dirk Van Duppen von Médecine pour le Peuple sein ‚Kiwi-Modell‘ vorstellte, um Arzneimittel kostengünstiger zu machen. Diese Kampagne hat der PTB-PVDA neuen Schwung verliehen und die Partei wieder auf die politische Landkarte Belgiens gesetzt. „Die sp.a (Flämische Sozialistische Partei) die Initiative ‚Kiwi‘ für seine Partei zurückzugewinnen, indem sie einen Vorschlag in dieselbe Richtung einbrachte. Die Hälfte des CSC [Christliche Gewerkschaft] und das gesamte MOC [Christliche Arbeiterbewegung] unterstützten Dirk Van Duppen.“

Die Kampagne für das Kiwi-Modell war der erste Wendepunkt. Ein zweiter Wendepunkt kam im folgenden Jahr mit dem Kampf gegen den Generationenpakt des sozialistischen Rentenministers Bruno Tobback. Am 28. Oktober 2005 demonstrierten 100.000 GewerkschafterInnen in Brüssel gegen die Rentenreform. Auf dem Kongress von sp.a haben Hunderte von Gewerkschaftsmitgliedern der Sozialdemokratie buchstäblich den Rücken gekehrt. Viele von ihnen traten der PTB-PVDA bei und spielten eine entscheidende Rolle bei ihrer Erneuerung. Der gleiche Prozess fand im Süden des Landes statt, wo sich Dutzende von GewerkschafterInnen der authentischen Linken anschlossen, angewidert von den ‚Affären‘ und der fortgesetzten Beteiligung der PS an den verschiedenen Austeritäts-Regierungen. Auf diese Weise sind die Marxisten wieder in Kontakt mit der Gewerkschaftsbewegung gekommen.

Die neue Führung mobilisiert die Partei für ihren Erneuerungskongress, der sich auf drei Achsen stützte: eine Partei der Prinzipien zu sein, eine flexible Partei zu sein, eine Partei der ArbeiterInnenklasse zu sein. Dieser Ansatz trug Früchte, wie Le Monde Diplomatique feststellte: „Um den Aufstieg der PTB zu verstehen, müssen wir auf die strategische Wende zurückgehen, die auf ihrem Kongress 2008 vollzogen wurde.“ Auf diesem Erneuerungskongress 2008 wurde Peter Mertens zum Parteivorsitzenden gewählt. „Heute, angesichts der Wirtschaftskrise, ist Marx aktueller denn je,“ sagt er. „Er bleibt unsere Inspirationsquelle, denn wir schließen uns seiner Kapitalismuskritik an.“ Außerdem befreit sich die erneuerte Partei von ihrem alten Dogmatismus. „Kein Dogmatismus mehr, sondern eine Partei, die näher an den Alltagsproblemen der Menschen ist,“ schreibt La Libre Belgique. Die PTB sucht ihren eigenen Weg. „Wir können von anderen lernen. Aber es geht nicht darum, eine belgische Kopie von etwas herzustellen, was anderswo gemacht wird. Die niederländische SP hat jeglichen Bezug zum Marxismus aufgegeben und konzentriert all ihre Aktionen auf die Stadtteile, während für uns die Präsenz in der Arbeitswelt ein zentraler Punkt bleibt.“

Die Angelegenheiten der PTB-PVDA haben jetzt Gewicht in der politischen Debatte

Laut der führenden britischen sozialistischen Zeitschrift Tribune spielt „der Reorganisations- und Erneuerungsprozess der Partei auf dem Kongress 2008“ eine „entscheidende Rolle“ bei der Positionierung der Partei als „glaubwürdige Alternative, die sowohl einen sozialen und ökologischen Diskurs als auch praktische Lösungen für die durch die Finanzkrise entstandenen wirtschaftlichen Probleme anbietet.“

Die Partei entwickelt sich rasant. Überall im Land werden nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum neue Sektionen geschaffen. Ein Prozess, der von Lydie Neufcourt organisiert wurde, die seit 2004 im Rahmen der Geschäftsleitung an der Führung der Partei beteiligt ist.

Die Marxisten bleiben gelassen, sie wissen, was sie wollen. Sie wollen eine starke marxistische Partei im ganzen Land aufbauen, mit Sektionen in ArbeiterInnenvierteln und an Arbeitsplätzen. Sie wollen eine Partei aufbauen, die Stürmen und Erschütterungen standhalten kann. „Das ist wie bei den drei kleinen Schweinen,“ sagt der Parteivorsitzende in L'Avenir. „Es gibt Menschen, die Häuser bauen, die am Ende einfach weggeblasen werden. Wir errichten ein festes Mauerwerk, denn wir wissen, dass wir mit Unwettern rechnen können.“

Im Süden des Landes scheinen die vier traditionellen Parteien (MR, cdH, PS und Ecolo) das politische Leben zu monopolisieren. Das Auftreten der PTB-PVDA als eine Kraft, mit der man rechnen muss, wird den Status quo ins Wanken bringen. Anfänglich als Mücke beschrieben, die in die bestehende Ordnung sticht, wird sie sich zu einer robusten Organisation entwickeln.

In weniger als achtzehn Jahren vergrößerte sich die PTB-PVDA von 80 Sektionen und 800 Mitgliedern auf 400 Sektionen mit insgesamt 24.000 Mitgliedern. Das ist ein enormer Sprung nach vorn, insbesondere, da die PTB-PVDA ihre Mitglieder nicht als passive politische Konsumenten, sondern als engagierte Mitglieder sieht. „Wir sind eine Partei der Basis,“ erklärt Peter Mertens. „Wir sind viel mehr als eine Handvoll gewählter Vertreter. Wir sagen den Leuten nicht, dass wir die Probleme an ihrer Stelle lösen werden. Wir wollen keinen Klientelismus wie bei der PS. Unser Ideal ist: Wacht auf, steht auf und kämpft für eure Rechte.“

Auch politisch sind die Dinge im Wandel. „Ich halte die extreme Linke für ein interessantes Phänomen, aber weder ich noch meine Partei gehören dazu,“ sagte Mertens dem Magazin Humo. Die Partei will sich in die gesellschaftliche Auseinandersetzung einbringen und selbst Debatten auf die Tagesordnung setzen. So wurde die ‚Millionärssteuer‘ auf den Weg gebracht, ein sorgfältig ausgearbeiteter Vorschlag zur Einführung einer Vermögenssteuer, die nur die reichsten zwei Prozent des Landes betreffen würde. Es ist mehr als ein Slogan, es ist ein konkreter Kampfbegriff, eine Waffe, die die PTB-PVDA einsetzt, wenn sie ins Feld zieht.

Unter der Leitung von David Pestieau veröffentlicht die Forschungsabteilung der PTB-PVDA ein heißes Eisen nach dem anderen. Diese rote Ideenfabrik erregt auch die Aufmerksamkeit von Journalisten. „Die Partei hat viel in ihre Forschungsabteilung investiert und PTB-Mitglieder wie Tom De Meester (Energie) und Marco Van Hees (Steuern) sind führende Experten in den Medien. Sie weichen nie von dem Leitsatz der Partei ab, ihre Argumente auf solide Zahlen zu stützen. Und vor allem: keine Ausrufezeichen, sondern Nuancen.“ Die Dossiers der PTB-PVDA haben in der politischen Debatte inzwischen Gewicht. „Man kann kaum die Richtigkeit der von der PTB vorgelegten Fakten und Zahlen bestreiten,“ sagt der bekannte Journalist Rik Van Cauwelaert.

„Heute kommuniziert die Partei scharf, präzise und auf den Punkt gebracht“

„Zuerst wird das Fundament gelegt und dann die Kommunikation definiert,“ sagt die PTB-PVDA. Auch die Kommunikation verändert sich. „Sie musste sich ändern: sowohl in Bezug auf das Image als auch auf die Sprache,“ sagt der Parteivorsitzende. „Früher sprach die PTB-PVDA nur den Verstand an, was meist umfangreiche, langatmige Flugblätter bedeutete. Heute wollen wir den Verstand ansprechen, aber auch das Herz.“ Als die Wahlen 2009 von den Auseinandersetzungen in den Gemeinden dominiert wurden, prangerten die Marxisten den ‚politischen Zirkus‘ in der Rue de la Loi (belgischer Regierungssitz) an. „Die PTB-PVDA setzt der Politik eine rote Nase auf,“ titelte eine große Tageszeitung. Zum ersten Mal seit ihrem Bestehen war die Partei, die damals noch in keinem Parlament vertreten war, in aller Munde.

Der kleine David, der gegen Goliath antreten musste, wusste, dass Kommunikation in seinem Kampf entscheidend war. „Der Begriff ‚politisches Marketing‘ ist in der PTB-PVDA schon lange kein Schimpfwort mehr,“ schreibt das Magazin Knack. „Vorbei ist der Stil der ersten Jahre, als die Wahlplakate oft einem ganzen Kapitel eines marxistischen Handbuchs glichen. Heute kommuniziert die Partei scharf, präzise und auf den Punkt gebracht.“ Die Partei orientiert sich an dem italienischen Kommunisten Antonio Gramsci, für den die Sprache ein wesentliches Element im Kampf um die kulturelle Hegemonie ist. In diesem Sinne führte Tom De Meester 2015 den Begriff ‚Turteltax‘ ein, um auf die von der flämischen Ministerin Annemie Turtelboom eingeführte ungerechte Energiesteuer hinzuweisen.

Die Sprache ist wichtig, aber eine strenge wirtschaftliche Analyse bleibt die Grundlage, wie Le Monde Diplomatique betont: „Wenngleich die PTB-Führer ihre semantische Wende vollziehen, halten sie jedoch Abstand vom Begriff Populismus, auch wenn dieser links ist. Es geht vor allem darum, einen ‚Sozialismus 2.0‘ aufzubauen, um es mit den Worten des PTB-Vorsitzenden Peter Mertens auszudrücken, der dem Begriff des Klassenkampfes weiterhin einen vorrangigen Platz einräumen würde.“ „Wir wollen einen Diskurs führen, der auf der Klassenanalyse basiert, aber an die heutige Situation angepasst ist,“ erklärt Charlie Le Paige, Vorsitzender von Comac, der Jugendbewegung der PTB-PVDA.”

Mit Tausenden von Mitgliedern, die in den ArbeiterInnenvierteln und Fabriken aktiv sind, die von den traditionellen Parteien schon vor langer Zeit aufgegeben wurden, hat die Partei einen großen Vorteil: Sie kann den Pulsschlag der Arbeiter und Arbeiterinnen direkt fühlen. „Niemand kennt das Terrain so gut wie die PTB,“ heißt es dort. „Außerdem veröffentlicht die Partei regelmäßig exklusive Informationen. Sie war es beispielsweise, die aufdeckte, dass multinationale Unternehmen in Belgien praktisch keine Steuern zahlen.“ Diese Kombination aus lokalem Wissen und schonungsloser Analyse ist eine der Stärken der PTB-PVDA. Und die Partei sorgt dafür, dass die Geschichten für die Menschen lebendig und wiedererkennbar bleiben, ohne sie in einer Vielzahl von Zahlen und Diagrammen zu ertränken. „Wir müssen unser eigenes Storytelling entwickeln,“ sagte der PTB-PVDA-Präsident gegenüber der amerikanischen Zeitschrift Jacobin.

„Mehr Leser als Stimmen“

„Die PTB ist die letzte (gesamt-)belgische Partei. Wie kommt es, dass Sie sich noch nicht geteilt haben?“ fragt ein Journalist Peter Mertens, den neu gewählten Präsidenten Er antwortete: „Ich denke, das ist eine seltsame Frage. Wie kommt es, dass alle anderen Parteien aufgespalten sind? Ist es nicht seltsam, dass alle Parteien im Parlament nur auf einer Seite der Sprachgrenze an den Wahlen teilnehmen? Wäre ein föderaler Wahlkreis nicht logisch?“ Nein zur Spaltung, ja zur Einheit. Auch die französische Zeitung Le Monde stellt fest: „Für Peter Mertens, den Präsidenten der PTB, sind die ‚zwei Demokratien‘, die in Belgien nebeneinander existieren, vielmehr die der Reichen und die der Armen, und er plädiert aus diesem Grund für ‚gemeinsame Kämpfe‘ im Norden und Süden des Königreichs.“

Der Präsident träumt von einem Solidaritätsfest nach dem Vorbild der Fête de l'Humanité in Paris, die von der kommunistischen Tageszeitung L'Humanité organisiert wird. Bei der Präsentation des Buches ‚Priorité de gauche‘ in Ostende sagte ihm jemand, dass es in Bredene einen Platz für eine solche Initiative geben könnte. Niemand glaubte, dass die PTB-PVDA 10.000 Menschen versammeln kann, aber die Partei ist entschlossen. So wurde ManiFiesta im Jahr 2010 geboren. Heute dauert das Festival mehrere Tage und wird von rund 15.000 Besuchern besucht. ‚Nous sommes un, wij zijn één‘ (Wir sind eins) lautete das Motto der Rede, die auf der ersten ManiFiesta gehalten wurde. Dies war der Beginn einer langen Solidaritätsbewegung, die schließlich 2021 in das Manifest ‚We Are One‘ des PTB-PVDA-Vizepräsidenten David Pestieau zugunsten der belgischen Einheit mündete.

In der Zwischenzeit baute sich die Partei geduldig auf. Sie hat jetzt viel mehr Sektionen, vor allem in den Betrieben. Unter der Leitung von Kim De Witte wurden die Provinzleitungen schrittweise erneuert und verjüngt. Die Partei wurde in allen Teilen des Landes aktiv. Die Forschungsabteilung zeichnete sich durch solide und fundierte Dossiers zu den Themen Steuern, Energie, Gesundheitsversorgung, Renten, öffentliche Dienstleistungen und demokratische Rechte aus. Die erfolgreichste Kampagne war die gegen die hohen Energiepreise, die zunächst zur Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom und dann zur Abschaffung der Turteltax in Flandern führte.

Der erste große Durchbruch gelang der Partei jedoch nicht bei einer Wahl, sondern mit einem Buch. Zur allgemeinen Überraschung schaffte es ‚Wie können sie es wagen? Der Euro, die Krise und der große Raubzug‘ gleich nach seinem Erscheinen im Dezember 2011 an die Spitze der Top-10-Sachbuchliste in Flandern und hielt diese Position nahezu ein Jahr lang. De Standaard titelt: „Mehr Leser als Stimmen“. „Ein Bestseller mit marxistischem Gedankengut,“ titelt Le Soir. Der Autor ging auf Tournee und besuchte, wenn man die Zahl der Konferenzen (insgesamt 150) vervielfacht, fast alle Gemeindehäuser des Landes. Die Kommentare sind lobend. „In ‚Wie können sie es wagen‘ stellt Peter Mertens seinen ganzen Elan in den Dienst der ideologischen Debatte,“ schreibt ein Journalist. Meinungsbildner aller Couleur loben seine Arbeit. „Das Buch ist sehr nah an der Lebenswirklichkeit der Menschen. Dadurch wird der Schock nur noch größer.“ Mit 25.000 verkauften Exemplaren in Flandern ist ‚Wie können sie es wagen‘ nun das zweitmeistverkaufte politische Buch in Belgien.

„Abgesehen von der europäischen Konstruktion ist es das kapitalistische System, das in der Krise steckt,“ unterstreicht L'Humanité Dimanche in ihrer Rezension des Buches. „Mertens' Buch ist von der Überzeugung getragen, dass eine tiefgreifende gesellschaftliche Debatte geführt werden muss, um zu einem an das 21. Jahrhundert angepassten sozialistischen System, dem ‚Sozialismus 2.0‘, zu gelangen. ‚Eine Gesellschaft, die beide Quellen des Reichtums respektiert: die menschliche Arbeit und die Natur, während der Kapitalismus beides übermäßig ausbeutet,‘ wie der Autor es ausdrückt.“

„Das Unmögliche möglich machen: die PTB-PVDA als vollwertiger Akteur auf der politischen Bühne“

Ein marxistisches Rückgrat, eine Partei der ArbeiterInnenklasse, aktive Mitglieder, neue Sektionen, eine erweiterte Forschungsabteilung, professionelle Kommunikation und ‚schlagkräftige‘ Bücher. Aber auch die erneuerte Partei braucht Galionsfiguren. Und hier kommt der außergewöhnliche Raoul Hedebouw ins Spiel. Man kann lesen: „Mertens (1969) und Hedebouw (1977) kennen sich seit ihrem Studium. 1994 wurde die Wallonie monatelang von Streiks erschüttert, um gegen die Bildungsreformen zu protestieren. Auf dem Herstal Athénée hatte Raoul das ‚Che‘ gegründet: das ‚Comité Herstalien des Écoliers‘. Damals war Mertens Vorsitzender der PTB-Studentenbewegung und hatte in Lüttich geholfen. Die Freundschaft, die sie damals geschlossen hatten, blieb bestehen, aber auch die Aufgabenteilung. Mertens: ‚Raoul war bereits der Sprecher der Jugendbewegung, ich habe eher im Hintergrund gearbeitet. Das funktioniert auch heute noch, auch wenn das Niveau ein anderes ist.‘“

Die beiden Männer haben gegenseitigen Respekt voreinander. Mertens: „Raoul Hedebouw ist unser Eden Hazard. Ich wusste es, als ich ihn das erste Mal sah: ein Anfüher von Schulkindern, sitzend auf einer Cola-Kiste und an dessen Lippen der gesamte Schulhof hing. Ohne ihn hätte sich die Partei nicht so schnell entwickelt.“ Hedebouw: „Ohne Peter wäre ich nicht hier. Er überzeugte mich von seiner Vision einer erneuerten PTB-PVDA und nahm mich als Sprecher für ein modernes Projekt mit auf das Abenteuer. Wir sind ein gutes Team.“

Auf dem Erneuerungskongress 2008 setzten sich die Teilnehmer Ziele. Im Jahr 2012 wollte die Partei in drei Städten den Durchbruch schaffen in den Kommunalwahlen. „Die Partei strebt im Oktober einen Durchbruch in drei großen Städten an: Antwerpen, Lüttich und Molenbeek,“ schrieb Le Soir Anfang 2012. Es funktioniert. Und nicht nur ein bisschen. In Lüttich zieht die PTB-PVDA mit 6,41 % der Stimmen in den Gemeinderat ein, in Antwerpen erreichen die Kommunisten 8 %. Die PTB-PVDA ist auf dem richtigen Weg. Jos Bouveroux, ehemaliger VRT-Journalist, berichtet: „Die PTB hat alle überrascht, als sie bei den Kommunalwahlen in Antwerpen im Oktober 2012 nicht weniger als 8 % der Stimmen erhielt. Ihr junger Leiter Peter Mertens (1969) war daran nicht ganz unbeteiligt. Er hat das Unmögliche geschafft, eine linksextreme Partei in einen vollwertigen politischen Akteur zu verwandeln. Bis dahin hatte die PTB nur Figurationswerte erreicht, kaum mehr als 1 %.“

Die Partei hat sich entschlossen für die ArbeiterInnenklasse entschieden, die von den traditionellen Parteien im Stich gelassen wurde. „PTB-Präsident Peter Mertens gab den Namen der neuen Vorsitzenden der PTB-Liste für Limburg bekannt: Gaby Colebunders, eine ehemalige Gewerkschaftsdelegierte bei Ford Genk. Mertens stellte den neuen Mitarbeiter wie folgt vor: „Gaby ist sozial. Gaby ist in den Bergbaustädten aufgewachsen, mitten unter den Menschen. Gaby ist ein Arbeiter wie viele andere auch. Und vor allem: Gaby ist ein Kämpfer. Gaby ist eine individuelle Metapher für das, was die PTB-PVDA kollektiv als linke Partei sein will.“

In der Zwischenzeit setzt sich auch der Rechtsruck fort, insbesondere in der niederländischsprachigen politischen Landschaft. Die Marxisten wollen aber auch diese Unzufriedenheit einfangen und wollen sie in eine rebellische, linke Stimme umwandeln. Sie haben eine langfristige Perspektive. „Soziologisch gesehen stellen wir zehn Prozent der Stimmen,“ sagt der Parteivorsitzende im Frühjahr 2014. „Wir werden sie nicht sofort bekommen, aber es ist ein realistisches Potenzial. Unsere neue Generation ist bereit.“ Im selben Jahr machte die PTB-PVDA mit 251.276 Stimmen, zwölfmal mehr als zehn Jahre zuvor, einen gewaltigen Sprung nach vorn. Raoul Hedebouw (Lüttich) und Marco Van Hees (Hennegau) wurden in die Abgeordnetenkammer gewählt. Zum ersten Mal seit 33 Jahren kehren die Marxisten ins Parlament zurück, und daran kommt man nicht mehr vorbei. In der Provinz Antwerpen erhielt die PTB-PVDA 4,5 % der Stimmen und verpasste, trotz des hohen persönlichen Ergebnisses von Mertens, knapp den Sitz.

Im Herbst 2014 mobilisierte die PTB-PVDA aktiv für die Unterstützung der Gewerkschafts- und BürgerInnenbewegung gegen die Austeritätspläne der neuen rechten Regierung. Am 6. November 2014 marschierten 120.000 kämpferische GewerkschafterInnen durch die Straßen von Brüssel, unterstützt von der BürgerInnenbewegung Hart boven Hard - Tout Autre Chose (Herz über Härte - Etwas ganz anderes), in der Hunderte von sozialen Organisationen zusammengeschlossen sind. Es folgten drei Streiks in der Provinz. Dann, am 15. Dezember, ein Generalstreik. Die rechte Regierung schwankte, leistete aber immer noch Widerstand, aber die PTB stürzte sich in den sozialen Kampf, um die Sparpolitik der Rechten zu verhindern.

Gleichzeitig widmete sich die Partei aufmerksam dem Aufbau neuer Kräfte. Im Frühjahr 2015 wurde ‚Die Millionärssteuer und 7 weitere brillante Ideen zur Veränderung der Gesellschaft‘ veröffentlicht. Ein Buch, das von der Generation ‚Wie können sie es wagen?‘ geschrieben wurde. Ein Gemeinschaftsprojekt von sechzehn begeisterten Visionären.

„9 zu 10 Chancen, einen PTB-isten auf einer Streikpostenkette zu treffen“

Die PTB-PVDA baut geduldig weiter an ihren Fundamenten. Unter der Leitung von Lydie Neufcourt ist die Partei von 80 auf 280 Sektionen und 8500 Mitglieder angestiegen. Die Partei organisierte ihren Solidaritätskongress 2015 unter dem Motto ‚Vergrößern, Vereinigen, Vertiefen‘. Sie entwickelt ihr Projekt für einen Sozialismus 2.0.

Mertens wurde erneut zum Präsidenten und David Pestieau zum Vizepräsidenten gewählt. Lydie Neufcourt übernahm das Amt der nationalen Sekretärin. Sie hatten den Kurs der Erneuerung beibehalten, wobei auf dem Kongress ein neuer nationaler Rat gewählt wurde. Die Parteiführung will weiterhin in die Ausbildung neuer Kader, den Ausbau der Ortsgruppen und die Entwicklung solider Themenkomplexe investieren. Im föderalen Parlament haben sich Raoul Hedebouw und Marco Van Hees zu Wort gemeldet. Hedebouw wurde schnell in allen Teilen des Landes zum Favoriten der ArbeiterInnenklasse: In Brüssel, der Wallonie und Flandern wurde der ‚coole Raoul‘ immer bekannter und beliebter.

Anlässlich des Pariser Klimagipfels Ende 2015 lanciert die Partei ihre Kampagne ‚Rot ist das neue Grün‘, um das Klimaproblem als systemisches Problem darzustellen. „Die Klimawende wird sozial sein oder sie wird nicht sein,“ sagen die Marxisten. Sie stellen sich gegen Klimaskeptiker und Ökomodernisten, deren Lobbys alles tun, um das Klimaproblem zu verharmlosen. Aber sie haben auch keine Sympathien für die Klima-Eliten, die die Rechnung auf die ArbeiterInnenklasse und die Menschen im Süden abwälzen wollen. Eine junge Generation von Klimaaktivisten schließt sich der PTB an, wie Jos D'Haese und Natalie Eggermont. Als der amerikanische Präsident Trump beschließt, unser Land zu besuchen, helfen sie, den Protest zu organisieren: ‚Trump Not Welcome‘.

Auch der sozialistische Feminismus wurde mit der Frauenorganisation Marianne unter der Leitung von Maartje De Vries auf die Tagesordnung gesetzt. Marianne legt Wert darauf, auf jeden Frauenmord im Land zu reagieren und trägt gemeinsam mit vielen anderen Organisationen dazu bei, den Internationalen Tag der Frauenrechte am 8. März in unserem Land wiederzubeleben. ‚Kein Sozialismus ohne Feminismus, kein Feminismus ohne Sozialismus‘, lautet Mariannes Credo.

Als sich die wallonische Regierung im Herbst 2016 gegen das neue Freihandelsabkommen CETA aussprach, konnten die internationalen Finanzmagazine es nicht fassen. „Als europäische Beamte fünf Jahre lang ein Handelsabkommen mit Kanada aushandelten, haben sie nicht daran gedacht, dass sie den Meinungen von Leuten wie Frédéric Gillot so viel Aufmerksamkeit schenken müssen,“ schreibt die Financial Times. “Der schnauzbärtige 54-jährige Stahlarbeiter, der Belgiens neokommunistische Arbeiterpartei im wallonischen Regionalparlament vertritt, ist nun einer der Akteure in einem Drama, in dem von einem Regionalparlament angedroht wird, ein Abkommen zwischen der EU und Kanada zu vereiteln.“

„Die Partei, welche die belgische Linke nach links zieht,“ schreibt die europäische Wochenzeitung Politico. Die Partei, die versucht, die politische Landschaft nach links zu ziehen, mit Inhalten. Im Dezember 2016 veröffentlichte Mertens sein drittes Werk ‚Im Land der Profiteure‘, das es ebenfalls an die Spitze der Sachbuchlisten schaffte. Die flämische Zeitschrift Samenleving & Politiek war voll des Lobes: „Neben dem Inhalt ist es das Lesevergnügen, und hier verdient Mertens ein Lob. Sein Buch behandelt kein einfaches Thema. Es geht um Politik, Wirtschaft und Ideologie. Und doch gelingt es Mertens einmal mehr, dieses komplexe Thema verständlich und sogar unterhaltsam zu erklären. Das Buch ist voll von Beispielen, die dieses wenig einladende Thema lebendig und greifbar machen. Hut ab vor ihm.“

Im Jahr 2016 wurde auch die Jugendorganisation RedFox gegründet. Mit DiverCity, einer breit angelegten Kampagne gegen Rassismus, machten sie sich schnell einen Namen. Der Kampf gegen Sexismus und der Kampf für das Klima wurden auch zu zentralen Themen für Jugendorganisationen, die einige Jahre später, Tausende von jungen Menschen über TikTok und die sozialen Netzwerke erreichten. Die PTB-PVDA setzt sich auch weiterhin entschieden für den Kampf gegen Rassismus ein und mobilisiert für die Demonstrationen am 21. März, dem internationalen Tag gegen Rassismus.

Bei den Kommunalwahlen 2018 hatte sich die Partei das Ziel gesetzt, die Zahl ihrer gewählten Mitglieder auf 150 zu verdreifachen, und das hat sie auch geschafft. Am Ende werden es 169 Mitglieder in den drei Regionen des Landes sein. In Flandern konnte die Partei zunächst in den großen städtischen Zentren Fuß fassen. In Brüssel ist die Partei fest verankert, und in der Wallonie ist die authentische Linke in allen großen Städten und in der roten Peripherie um Lüttich auf dem Vormarsch, mit Werten von 15 % und mehr.

Die Journalisten interessieren sich für das Phänomen: „Herstal ist eine der Lütticher Gemeinden, in denen die PTB seit vielen Jahren stark vertreten ist. Und das ist vor allem Nadia Moscufo zu verdanken. Die ehemalige Aldi-Kassiererin ist seit 2000 Mitglied des Gemeinderats. Sie hatte gerade die Sekundarschule abgeschlossen. ‚Ich war die Zweite auf der Liste. Ich habe nicht damit gerechnet, gewählt zu werden,‘ sagt sie. Achtzehn Jahre später ist sie Fraktionsvorsitzende und führt die Liste an. Mit Erfolg. Am Sonntag vergrößerte sich ihre Gruppe auf neun Sitze. ‚Ich bin froh, dass meine Partei sich nicht darauf beschränkt, ob man einen Abschluss hat oder nicht.‘“. In der Hauptstadt wird Francis Dagrin, ein Audi-Arbeiter und Gewerkschafter, 2019 ins Brüsseler Parlament gewählt. Auf die Frage, was seine Kollegen von seiner Wahl hielten, antwortete er: „Sie wussten, dass ich ein PTB-Aktivist bin. Im Arbeitermilieu genießt die Partei hohes Ansehen. Als wir am 27. Mai ] [der Tag nach der Wahl] wieder an die Arbeit gingen, sah ein großer Teil meiner Kollegen meine Wahl als ihren Sieg an.“

Der soziale Kampf steht weiterhin im Mittelpunkt der Arbeit der Partei. Ein Gewerkschafter vertraute dem Echo an: „Es ist ganz einfach: Wenn man eine Streikpostenaktion durchführt, stehen die Chancen neun zu zehn, einen PTB-isten zu treffen, ganz anders, wenn man versucht, einen Sozialisten zu treffen.“ Die belgische Finanzzeitung selbst stellt fest: „Ein markantes Beispiel: der nationale Streik vom 13. Februar 2019. Allein an diesem Tag besuchte die linksextreme Formation mehr als 600 Mahnwachen zwischen Arlon und Zeebrugge, eine echte Machtdemonstration vor Ort.“

„Unerwartet: Der VRT musste plötzlich einen siebten Tisch bereitstellen“

Die Partei will bei den Bundes- und Regionalwahlen 2019 den Durchbruch schaffen und wirbt mit einem Programm der Veränderung mit 840 Alternativ-Vorschlägen. Die Vorstellungen der marxistischen Partei finden Anklang und versprechen einen Durchbruch bei den Wahlen. „‚Die große Debatte der Präsidenten‘ war so nicht geplant, wie sie am 26. Mai stattfand, schrieb die Presse später. Im flämischen Fernsehen dürfen eigentlich nur die Vorsitzenden der im flämischen Parlament vertretenen Parteien an den Debatten teilnehmen. Bis Samstag war Mertens daher nicht dabei, doch am Sonntagabend änderte sich das plötzlich. Also mussten sich die Techniker beeilen und einen siebten Tisch bereitstellen.“

In der Woche vor den Wahlen hatte ein bekannter Politikwissenschaftler mit Bestimmtheit erklärt, dass es in Flandern „keinen Platz“ für die PTB-PVDA gebe. Bei der VRT hatte man daher die PTB-PVDA ignoriert und keinen Tisch bereitgestellt. Die Wahlen haben sie eines Besseren belehrt: „Der große Erfolg der PTB wurde durch den Vormarsch des Vlaams Belang etwas überschattet. Im Plenarsaal sind die Kommunisten jetzt jedoch genauso wichtig wie die CD&V und die flämischen Liberalen. Sie schneiden fast genauso gut ab wie die extreme Rechte. Die PTB gewann 35 Sitze hinzu, nur vier weniger als der Vlaams Belang, und verfügt nun über 43 Sitze in den verschiedenen Parlamenten.“

Auch der britischen Zeitschrift Tribune ist dies nicht entgangen: „Der 26. Mai war ein politisches Erdbeben in Belgien. Die Partei der Arbeit hat bei den Regional-, Bundes- und Europawahlen einen großen Sieg errungen und sich als linke Alternative zu den Mitte-Links- und grünen Parteien im ganzen Land fest etabliert.“ Die sozialistische Zeitschrift verweist auf die großen Fortschritte in Brüssel und der Wallonie, bemerkt aber auch den Durchbruch in Flandern: Darüber hinaus ist es ihnen in der Region Flandern gelungen, sich politisch zu etablieren, trotz der kulturellen und politischen Hegemonie während des gesamten letzten Jahrzehnts der konservativen nationalistischen politischen Kräfte und des Wahlerfolgs der extremen Rechten (Vlaams Belang), die 18 Sitze auf Bundesebene erringen konnte.“

Auffallend: Die PTB-PVDA schickte sofort vier ArbeiterInnen ins Parlament. Es sind Nadia Moscufo, Gaby Colebunders, Maria Vindevoghel und Roberto D'Amico. Zusammen repräsentieren diese vier Abgeordneten über 100 Jahre gewerkschaftliche Erfahrung. Sie haben das Herz auf dem rechten Fleck und bringen frischen Wind in das Repräsentantenhaus. „Die flämischen Mitglieder der PTB-PVDA bereiten sich darauf vor, in den Parlamenten zu sitzen. Und es sind viel mehr, als sie sich selbst vorzustellen wagten,“ schreibt Het Nieuwsblad. Auf den Schultern des jungen Antwerpeners Jos D'Haese lastet eine Menge Druck. „Jos D'Haese, einst ein Klimaaktivist, soll der flämische Hedebouw werden,“ heißt es dort.

„Ich bleibe an Bord, aber es ist Zeit für einen neuen Kapitän“

Der Durchbruch bei den Wahlen beflügelt die PTB-PVDA, bedeutet aber auch viel mehr Arbeit. Die Partei hat heute 400 Ortsverbände und 24.000 Mitglieder. Für das Team der nationalen Sekretärin Lydie Neufcourt sind die Tage lang. Dies gilt auch für den Vizepräsidenten David Pestieau, den eine Zeitung scherzhaft als ‚den am schlechtesten bezahlten Vizepräsidenten‘ bezeichnet: „David Pestieau (51) ist wahrscheinlich der am schlechtesten bezahlte Vizepräsident und Leiter der Forschungsabteilung einer Partei. Auch in der PTB-PVDA sind die Gehälter der Führungskräfte an die der Beschäftigten angeglichen. Aber der Umfang ihrer Aufgaben ist keineswegs geringer. Keine Partei ist in so vielen Parlamenten vertreten: Die ‚nationale‘ Partei hat Abgeordnete im flämischen, föderalen, wallonischen, Brüsseler und im europäischen Parlament sowie im Parlament der Französischen Gemeinschaft.“

Zum ersten Mal waren die Marxisten auch im Europäischen Parlament vertreten, und zwar mit dem polyglotten Marc Botenga, der ursprünglich Niederländisch spricht, aber auch perfekt Französisch, Englisch und Italienisch beherrscht. Er ist Mitglied der großen linken Gruppe The Left. Die Linke hat 41 Mitglieder, die sich auf 19 Delegationen aus 13 Ländern verteilen. Im vergangenen Jahr ist Botenga im Europäischen Parlament durch sein Eintreten für die Europäische Bürgerinitiative ‚No Profit on Pandemic‘ aufgefallen, die die Aufhebung der Patente auf Covid-Impfstoffe fordert. Botenga ist zu Gast bei der italienischen RAI, der britischen BBC, der deutschen ARD und vielen anderen europäischen Fernsehsendern.

Die PTB-PVDA hat viele Mütter und Väter. Eine davon ist nicht zuletzt die kostenlose medizinische Betreuung. Zusammen mit Médecine pour le Peuple (Medizin für das Volk, deren Vorsitzende Janneke Ronse ist) verfügt die Partei über 11 medizinische Zentren im ganzen Land, in denen ÄrztInnen und KrankenpflegerInnen 25.000 Menschen kostenlos eine hochwertige Gesundheitsversorgung bieten. Und dies geschieht jeden Tag seit vierzig Jahren. Es ist daher kein Zufall, dass die PTB während der ‚Wut der Weißkittel‘ im Oktober 2019, also noch vor der Pandemie, einen ‚Notfallfonds für die Gesundheitsversorgung‘ vorgeschlagen hat. Der PTB-PVDA-Vorschlag wurde zunächst als ‚populistisch‘ abgetan, aber schließlich doch vom Parlament gebilligt. Dadurch können Hunderte von neuen MitarbeiterInnen in Krankenhäusern eingestellt werden. Dies zeigt, wie die PTB-PVDA für innovative linke Vorschläge sorgt.

Während der Coronavirus-Krise tritt die PTB-PVDA als eine der aktivsten Parteien auf, sowohl vor Ort mit den Hunderten von PflegerInnen von Medizin für das Volk als auch in den Parlamenten, wo Dr. Sofie Merckx (Abgeordnetenkammer) und Dr. Lise Vandecasteele (flämisches Parlament) unermüdlich gegen das politische Gerangel der verschiedenen Gesundheitsminister vorgehen werden. Während des kalten Winters des Coronavirus im Jahr 2020 organisiert die PTB-PVDA mit ‚Ein Winter der Solidarität‘ mehr als 600 konkrete Solidaritätsinitiativen, um Menschen in Not zu helfen.

Die Solidaritätsaktionen werden im folgenden Jahr fortgesetzt, während der schrecklichen Überschwemmungen, die das Land im Juli 2021 heimsuchten. Da die Behörden nicht in der Lage waren, die Sache in die Hand zu nehmen, wurde Hilfe an der Basis organisiert. PTB-PVDA-Mitglieder sind keine Menschen, die untätig bleiben. Die Tageszeitung Gazet Van Antwerpen berichtet: „Am Samstag, den 17. Juli, zwei Tage nach den Überschwemmungen, fuhr Peter Mertens, der Vorsitzende der linken Partei PTB-PVDA, mit einer Gruppe von Freiwilligen nach Verviers. Sofort startete die PTB-PVDA einen Aufruf in den sozialen Netzwerken, um freiwillige Helfer zu gewinnen.“ Auf Initiative des Parteivorsitzenden wurden die SolidariTeams an einem Küchentisch in Lüttich ins Leben gerufen: „Seitdem sind mehr als 2.000 Freiwillige über unsere SolidariTeams zur Hilfe gekommen. Die Solidarität ist groß, und sie kommt auffallend oft auch aus Flandern.“

Seit 2003 hat die PTB einen langen Weg zurückgelegt. Es ist eine „erstaunliche Geschichte“. „Ich sehe, wie sich die Welt verändert, und ich glaube, dass dabei etwas Gutes herauskommen wird,“ sagte der inzwischen verstorbene Dr. Dirk Van Duppen in seinem Abschiedsbuch im Jahr 2020. Es versteht sich von selbst, dass es noch ein sehr langer Weg ist, um diese Welt zu verändern. Sie auf die Seite der Menschlichkeit, der Solidarität, der Achtung der Natur und des Sozialismus zu holen.

Am 8. November 2021 kündigte Präsident Peter Mertens an, dass er sich auf dem Kongress der Einheit am 5. Dezember nicht zur Wiederwahl stellen werde. Er sagte: „Es ist an der Zeit, dass ein anderer Kapitän die Aufgabe übernimmt, und das ist durchaus möglich, denn wir haben ein ganz neues Team. Ich bleibe an Bord und möchte mich auf strategische Fragen und die Entwicklung der Partei konzentrieren. Wir rudern gegen den Strom des Kapitalismus, und das ist nicht einfach. Wir werden weitere Schläge einstecken müssen, wir werden hinfallen, und wir werden wieder aufstehen. Mit einer neuen Generation von Marxisten an Bord und mehr jungen Menschen und ArbeiterInnen als je zuvor in der Führung. Wir haben eine politische Einigkeit bezüglich unseres Projekts einer sozialistischen Gesellschaft, und das ist von grundlegender Bedeutung. Und wir haben auch eine starke Einheit im ganzen Land. Wenn ich nach Verviers fahre, gehe ich in eine Sektion der PTB, und dort bin ich zu Hause, ganz einfach. Ich bin nicht als Besucher da. Diese Einheit ist real, und der neue Präsident wird vor allem marxistisch, belgisch und internationalistisch sein, um die Welt zu verändern.“

Für eine Version mit Fußnoten, auf Französisch, hier klicken

 

 

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